Das neue Nachweisgesetz tritt zum 01.08.2022 in Kraft – was ArbeitgeberInnen bei der Gestaltung ihrer Arbeitsverträge wissen sollten

In einer Woche ist es soweit: Das neue Nachweisgesetz („NachwG“) tritt zum 01.08.2022 in Kraft. Über die Sinnhaftigkeit der Neuerungen kann man sich sicher streiten. Klar ist jedenfalls, dass die meisten ArbeitgeberInnen handeln müssen und das am besten sofort. 

I. Hintergrund

II. Was ist neu? – Die wesentlichen Neuerungen des Nachweisgesetzes in Kürze

#1 Katalog der Nachweispflichten wird erweitert

#2 Bußgeld von bis zu 2.000 EUR pro Verstoß droht 

#3 Neue Fristen gelten 

#4 Schriftform ist zwingend einzuhalten 

#5 Auch „AltarbeitnehmerInnen“ können einen Nachweis verlangen – Achtung kurze Frist!

III. Ausblick | Empfehlung 

I. Hintergrund

Grund für die Änderungen des Nachweisgesetzes ist die europäische Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union („Arbeitsbedingungenrichtlinie“), die bis zum 31.07.2022 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Der Gesetzgeber hat entsprechend reagiert und ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 beschlossen, das einschneidende Änderungen – insbesondere des Nachweisgesetzes – vorsieht. Das Nachweisgesetz regelt Informations- und Dokumentationspflichten für ArbeitgeberInnen. Das Gesetz verlangt u.a., dass ArbeitgeberInnen die wesentlichen Vertragsbedingungen eines Arbeitsverhältnisses schriftlich niederlegen, diese Niederschrift unterzeichnen und ihren Mitarbeitenden aushändigen müssen. ArbeitgeberInnen können diese Nachweisverpflichtung in Form eines schriftlichen Arbeitsvertrages erfüllen. 

II. Was ist neu? – Die wesentlichen Neuerungen des Nachweisgesetzes in Kürze

#1 Katalog der Nachweispflichten wird erweitert

Der Katalog der arbeitgeberseitigen Nachweispflichten wird deutlich erweitert und ergänzt. Dies betrifft u.a. die Themen Vergütung, Arbeitszeit, Pausen, Schichtsystem, Arbeit auf Abruf, Anordnung von Überstunden und die Dauer der Probezeit. Von besonderer Bedeutung ist, dass zusätzlich zu der bislang anzugebenden Kündigungsfrist nunmehr auch „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren“ schriftlich niederzulegen ist. Hierzu gehört auch – und das ist vollkommen neu – die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Diesbezüglich werden wohl die meisten Arbeitsverträge in Deutschland Anpassungsbedarf haben, da zumindest nach unserer Erfahrung aus der Praxis die wenigsten Arbeitsverträge einen solchen Hinweis enthalten.

Konkret sind die folgenden Angaben niederzulegen (hervorgehoben sind die ab dem 01.08.2022 zusätzlich vom Nachwegesetz geforderten Angaben):

  • Name und Anschrift der Vertragsparteien
  • Der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  • Eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
  • Bei befristeten Arbeitsverhältnissen das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses
  • Der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann
  • Sofern vereinbart, die Dauer einer Probezeit
  • Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung
  • Die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen
  • Bei Arbeit auf Abruf:
    • Die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat
    • Die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden
    • Der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist
    • Die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat
  • Sofern vereinbart, die Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
  • Die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  • Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
  • Wenn der Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung über einen Versicherungsträger zusagt, der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist
  • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
  • Ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen

#2 Bußgeld von bis zu 2.000 EUR pro Verstoß droht 

Neu ist, dass Verstöße gegen die Nachweispflichten ab dem 01.08.2022 eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 EUR pro Verstoß geahndet werden können. Eine Ordnungswidrigkeit ist nach der neuen Fassung des Nachweisgesetzes dann anzunehmen, wenn der/die ArbeitgeberIn die wesentliche Vertragsbedingung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt, also quasi bei jedem denkbaren Fehler. 

#3 Neue Fristen gelten 

In der bisherigen Fassung des Gesetzes mussten ArbeitgeberInnen spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich vorlegen. Ab dem 01.08.2022 gibt es für die Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen ein Sammelsurium an unterschiedlichen Fristen. Die Neuerungen werden in der Praxis dazu führen, dass der Nachweis bzw. der Arbeitsvertrag mit den wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen schlussendlich sogar vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden muss. So sind auch Änderungen der wesentlichen Vertragsbedingungen in einem bestehenden Arbeitsverhältnis künftig an dem Tag, an dem sie wirksam werden, schriftlich mitzuteilen.

#4 Schriftform ist zwingend einzuhalten 

Und ja, richtig gelesen. Das alles muss – wie bisher – schriftlich erfolgen. Die elektronische Form bleibt auch nach dem neuen Nachweisgesetz ausgeschlossen, obwohl die Richtlinie ausdrücklich die elektronische Form zugelassen hat. Bis der Gesetzgeber dies korrigiert, müssen ArbeitgeberInnen den Nachweis/Arbeitsvertrag ausdrucken, handschriftlich unterzeichnen und das Papier ihren Mitarbeitenden aushändigen. Eine Übermittlung nur per E-Mail würde einen Bußgeldtatbestand darstellen. 

#5 Auch „AltarbeitnehmerInnen“ können einen Nachweis verlangen – Achtung kurze Frist!

Grundsätzlich müssen Arbeitsverträge, die vor dem 1. August 2022 geschlossen wurden, nicht geändert werden. Allerdings müssen ArbeitgeberInnen auch den „AltarbeitnehmerInnen“ auf deren Verlangen hin innerhalb von sieben Tagen die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich aushändigen. In Ansehung dieser kurzen Frist sollten ArbeitgeberInnen auch für diese Fälle gewappnet sein und einen dem novellierten Nachweisgesetz entsprechenden Nachweis (bzw. Arbeitsvertrag) vorhalten können. 

III. Ausblick | Empfehlung 

Ob der Sinn und Zweck der Arbeitsbedingungenrichtlinie hiermit erreicht wird, d.h. eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von ArbeitnehmerInnen durch eine transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung, wird sich zeigen. 

Da sehr viele ArbeitgeberInnen ihre Nachweispflicht in Form eines (schriftlichen) Arbeitsvertrages erfüllen, führen die Änderungen im Nachweisgesetz in der Konsequenz dazu, dass die meisten ArbeitgeberInnen in Deutschland ihre Arbeitsverträge anpassen müssen. Angesichts der drohenden Bußgelder sollte dringend darauf geachtet werden, dass die Mindestangaben des neuen Nachweisgesetzes mit enthalten sind.

Möglich ist freilich, den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingen im Wege eines separaten Nachweisschreibens zu erfüllen. Wer sich für ein solches Nachweisschreiben entscheidet, dürfte u.E. nicht weniger bürokratischen Aufwand haben. Der Vorteil liegt darin, dass es sich bei dem Nachweis (anders als bei einem Vertrag) um eine rechtlich nicht bindende, einseitige Wissenserklärung handelt, die jederzeit angepasst oder geändert werden kann. 

Benötigen Sie Hilfe bei der Anpassung Ihrer Arbeitsverträge oder bei der Erstellung eines Nachweises nach dem Nachweisgesetz?

Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf. 

*für den Inhalt bzw. etwaige Ungenauigkeiten übernehme ich keine Haftung.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Arbeiter

    Vielen Dank für diesen wichtigen und sehr interessanten Beitrag für Arbeitnehmer. Es ist schon etwas besorgniserregend das manche dieser Punkt anscheinend im Vorfeld so nicht immer von den Arbeitgebern erfüllt wurden. Obwohl es sich dabei ja um essentielle Punkte zu handeln scheint. Wer an einen Arbeitgeber gerät der sehr dubios wirkt sollte sich am besten vorher noch einmal Rat bei Anwalt für Arbeitsrecht einholen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Möchten Sie diesen Beitrag Teilen?

Diese Artikel könnten Ihnen auch gefallen:

Charlotte Arnold_Arbeitsrecht

Mein Name ist Charlotte Arnold. Ich bin Inhaberin der Kanzlei Arnold. Als Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht berate und vertrete ich Sie – ob ArbeitnehmerIn, Führungskraft oder ArbeitgeberIn – in meiner Anwaltskanzlei in Frankfurt am Main zu allen Fragen des Arbeitsrechts – gerichtlich wie außergerichtlich.

So kann ich Ihnen helfen:

anwalt_verträge

Arbeitsrecht für ArbeitnehmerInnen

Ich berate und vertrete Sie als ArbeitnehmerIn außergerichtlich und gerichtlich in allen Bereichen des Arbeitsrechts.

Arbeitsrecht für ArbeitgeberInnen​

Ihr Unternehmen und Ihren Betrieb berate und vertrete ich außergerichtlich und gerichtlich in allen Bereichen des Arbeitsrechts.

sozialrecht_anwalt

Sozialrecht

Ich unterstütze Sie bei allen sozialrechtlichen Fragestellungen.