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Verfall von Urlaubsansprüchen – Reichweite der Mitwirkungsobliegenheit von ArbeitgeberInnen (Inklusive kostenloses Musterschreiben)

Kostenloses Muster: Unterrichtungsschreiben zum Verfall des Urlaubs 

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Nicht nur zum Jahresende stellt sich für viele ArbeitgeberInnen die Frage, wie mit Resturlaubsansprüchen umzugehen ist bzw. ob noch vorhandene Urlaubsansprüche mit Ablauf des 31.12. gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 Bundesurlaubsgesetz („BurlG“) verfallen. Da der Urlaubsanspruch grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss, kann dieser nicht auf das nächste Jahr übertragen werden und verfällt mit Jahresende. 

Nur in Ausnahmefällen, bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe (z.B. eine hohe Auftragslage) oder in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe (z.B. Krankheit), können Urlaubsansprüche auf das Folgejahr übertragen werden (vgl. § 7 Abs. 3 S. 2 BurlG). Im Falle einer solchen Übertragung muss der Urlaub grundsätzlich gemäß § 7 Abs. 3 S. 3 BurlG in den ersten drei Monaten in Anspruch genommen werden, andernfalls verfällt er mit Ablauf des 31.03. („Übertragungszeitraum“).

Das Bundesarbeitsgericht („BAG“) hat allerdings auf Betreiben des Europäischen Gerichtshofs („EuGH“) hin klargestellt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub nur noch dann mit Ablauf des Kalenderjahres (bzw. mit Ablauf des Übertragungszeitraums) verfällt, wenn ArbeitgeberInnen ihren sog. Mitwirkungsobliegenheiten ausreichend nachgekommen sind und die betroffenen ArbeitnehmerInnen den Urlaub dennoch nicht bis zum Jahresende genommen haben [vgl. BAG, Urt. v. 19.02.2019 – 9 AZR 423/16].

Was bedeutet „Mitwirkungsobliegenheit“ für ArbeitgeberInnen in der Praxis?  

ArbeitgeberInnen müssen „konkret und in völliger Transparenz“ dafür sorgen, dass ihre ArbeitnehmerInnen tatsächlich in der Lage sind, den bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dabei sollten ArbeitgeberInnen – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen und dabei den ArbeitnehmerInnen klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er nicht genommen wird [vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-684/16 Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften].

Hierbei stellt das BAG konkrete Anforderungen an die Mitwirkungspflicht der ArbeitgeberInnen:

ArbeitgeberInnen müssen jede/jeden ArbeitnehmerIn – am besten zu Beginn des Kalenderjahres in Textform – darüber informieren, wie viele Urlaubstage dieser/diesem in dem jeweiligen Kalenderjahr zusteht. Diese Initiativlast der ArbeitgeberInnen ist nach Auffassung des Landesarbeitsgericht („LAG“) Köln nicht nur auf den Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr beschränkt, sondern bezieht sich auch auf den Resturlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren [vgl. LAG Köln, Urt. v. 09.04.2019 – 4 Sa 242/18].

Ferner müssen ArbeitgeberInnen ihre ArbeitnehmerInnen dazu auffordern, den entsprechenden Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann. Zudem müssen ArbeitnehmerInnen darüber belehrt werden, dass der Urlaub grundsätzlich am Jahresende verfällt, wenn diese in der Lage waren, den Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, ihn aber aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Konsequenzen nicht genommen haben.

Nur wenn ArbeitgeberInnen diesen Obliegenheiten nachkommen, kann ein Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums noch verfallen. 

Ist auch der (tarif-)vertragliche Mehrurlaub hiervon betroffen?

Nach Auffassung des BAG ist hinsichtlich eines (tarif-)vertraglichen Mehrurlaubs grundsätzlich von einem Gleichlauf auszugehen. Damit gelten für einen etwaigen tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Mehrurlaub dieselben arbeitgeberseitigen Obliegenheiten wie für den gesetzlichen Urlaubsanspruch – sofern es keine anderslautende Regelung gibt. Soweit der Verfall des Mehrurlaubs abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt sein soll, müsste es hierfür aber konkrete (vertragliche) Anhaltspunkte geben [vgl. BAG, Urt. v. 26.05.2020 – 9 ZR 259/19]. Achtung: Eine entsprechende Mitwirkungsobliegenheit trifft ArbeitgeberInnen auch während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens [vgl. BAG, Urt. v. 19. Februar 2019 – 9 AZR 321/16].

Was ist mit Zusatz-bzw. Sonderurlaub aufgrund einer Schwerbehinderung? 

Grundsätzlich teilt der Zusatzurlaubsanspruch für eine Schwerbehinderung das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs [vgl. BAG Urt. v. 22.01.2019 – 9 AZR 45/16]. Auf diesen Zusatzurlaub sind somit gleichsam die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden.

Damit verfällt der Zusatzurlaub nach § 208 Sozialgesetzbuch („SGB“) IX  zum Ende des laufenden Jahres (bzw. mit Ende des Übertragungszeitraums) auch nur dann, wenn der/die ArbeitgeberIn über den Urlaub und die Verfallfristen entsprechend der benannten Obliegenheiten belehrt hat. Allerdings können ArbeitgeberInnen nur dann über Zusatzurlaub und die Konsequenzen bei Nichtinanspruchnahme informieren, soweit über eine Schwerbehinderung positive Kenntnis besteht.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat hierzu im Januar 2021 entschieden, dass ein Arbeitgeber, der gar keine Kenntnis von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers hat, nicht dazu verpflichtet ist, diesen prophylaktisch auf den Zusatzurlaub des § 208 SGB IX hinzuweisen. Solange ein Arbeitgeber nicht weiß, dass der Arbeitnehmer ein schwerbehinderter Mensch ist, braucht der Arbeitgeber einen Zusatzurlaub nicht anzubieten. Eine präventive Hinweispflicht ohne weitere Anhaltspunkte besteht somit nach Auffassung des Gerichts nicht [vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.01.2021 – 5 Sa 267/19]. 

Das BAG hat diese Auffassung im November 2021 auch noch einmal bestätigt. Sofern ArbeitgeberInnen nicht wissen, dass der/der ArbeitnehmerIn ein Mensch mit Schwerbehinderung ist, muss der Zusatzurlaub nicht angeboten werden. Ist der/die Ar­beit­ge­berIn nicht über eine Schwe­be­hin­de­rung in­for­miert worden (und ist diese auch nicht offenkundig), verfällt der An­spruch auf Zu­satz­ur­laub – konsequenterweise – dann doch wieder zum Jahresende, auch wenn der/die ArbeitgeberIn den Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist [vgl. BAG, Urt. v. 30.11.2021, 9 AZR 143/21]. 

Demgemäß sind ArbeitgeberInnen nicht dazu verpflichtet, Ihre ArbeitnehmerInnen über alle möglichen Eventualitäten – rein prophylaktisch – zu informieren. Besteht hingegen positive Kenntnis von einer Schwerbehinderung, gelten indes die gleichen Mitwirkungsobliegenheiten wie bei dem gesetzlichen Urlaubsanspruch!

Was tun, wenn noch nicht über den Jahresurlaub unterrichtete wurde?

Sollten ArbeitgeberInnen den Anforderungen an ihre Mitwirkungspflichten in diesem Kalenderjahrbisher noch nicht nachgekommen sein, so empfiehlt sich, die Unterrichtung schnellstmöglich nachzuholen – auch wenn das BAG grundsätzlich eine Unterrichtung zu Jahresbeginn wünscht. Hier gilt aus Arbeitgebersicht: besser spät, als nie!

 


*für den Inhalt bzw. etwaige Ungenauigkeiten übernehme ich keine Haftung.

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